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Perspektiven des Holzbaus gemeinsam gestalten

Ein Interview zum seriellen Sanieren aus Sicht der Holzbauunternehmen.

  • Dr. Stefan Bockel und Matthias Schlosser
    Matthias Schlosser von ZMH (links) und Dr. Stefan Bockel von WEINMANN (rechts) im Interview.

Der Holzbau und seine Marktsegmente unterliegen derzeit einem strukturellen Wandel. Viele Holzbaubetriebe sind mittlerweile nicht mehr vornehmlich im Bereich des Einfamilienhausbaus aktiv, sondern entwickeln sich in andere Bereiche weiter. Dazu gehören beispielsweise mehrgeschossige Bauten, Holz-Modulbau, Aufstockungen oder das Sanieren im Bestand. Ein zunehmend gefragtes Thema unter Holzbauern ist die serielle Sanierung. Matthias Schlosser, Geschäftsführer der Gruppe ZimmerMeisterHaus (ZMH) und Dr. Stefan Bockel, Leiter Produktmanagement bei WEINMANN, sprechen über die Arbeit von ZMH sowie die aufkommenden Chancen und Herausforderungen der seriellen Sanierung für das Handwerk. 

Die Gruppe ZimmerMeisterHaus (ZMH) besteht aus rund 100 deutschen Holzbauunternehmen und hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch zwischen Holzbaubetrieben zu fördern und so seine Mitglieder bestmöglich aufzustellen. Mit einem starken Fokus auf Marketing, Experten, Wissen und Produkte hat sich ZMH als bekanntes Profi-Netzwerk in den Bereichen Neubau, Anbau, Aufstockung, Gewerbe- und Objektbau etabliert. Dabei profitieren Mitglieder nicht nur von der langjährigen Erfahrung und Expertise untereinander, sondern auch von einem breiten Netzwerk an Experten und Marktpartnern. 

Herr Schlosser können Sie sich kurz vorstellen und uns etwas zur Historie von ZMH erzählen?

Matthias Schlosser (MS): Seit drei Jahren bin ich Geschäftsführer der Gruppe ZMH, davor war ich bereits seit 26 Jahren in der Vorstandschaft von ZMH tätig. Die  Gruppe wurde 1987 von damals 17 Holzbauern gegründet, welche sich zusammenschlossen, um den Holzhausbau weiterzuentwickeln. ZMH hat einen wesentlichen Teil zur Entwicklung des Holzhausbaus in den letzten drei Jahrzehnten beigetragen.

Sie haben den Wandel im Holzbau in den letzten Jahren bereits angesprochen. Wie hat sich das Bewusstsein der Baukunden hinsichtlich des Holzbaus in den letzten Jahren verändert?

MS: In erster Linie müssen wir für den Holzbau wesentlich weniger Überzeugungsarbeit leisten, da viele Kunden sich den Vorteilen des Holzbaus bewusst sind. Wenn wir unsere Produkte und Dienstleistungen nun noch effizienter anbieten können, wird der Holzbau für den Endkunden noch attraktiver. Außerdem wird eine gewisse Effizienzsteigerung, beispielsweise durch geschulte Fachkräfte oder vor allem Reduzierung von Bürokratie, von den Kunden erwartet. Ich denke, wir sind hier auf einem guten Weg. 

Im Zuge des immer stärkeren Fokus auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz hat sich nicht nur der Neubau, sondern auch die Sanierung von Bestandsgebäuden verändert. Was sind die zentralen Beweggründe Ihrer Mitgliedsbetriebe in der seriellen Sanierung tätig zu werden? 

MS: Es geht um den Werterhalt eines Gebäudes, denn bei der seriellen Sanierung handelt es sich um eine nachhaltige Form der Wertsteigerung. Eine „Haus in Haus“- Lösung bietet eine weit höhere Qualität als die bloße Verkleidung einer Außenwand durch einen Vollwärmeschutz. So können wir die Werte in unserer Gebäudestruktur erhalten und sogar steigern. 
Darüber hinaus sind wir schneller in der Umsetzung.

Herr Bockel, gibt es neben den Endkunden und Holzbauunternehmen weitere Beteiligte, die an einer Wertsteigerung der Gebäudestruktur interessiert sind?

Stefan Bockel (SB): Das ist sicherlich auch ein relevantes Thema aus Bankenperspektive: Wenn hohe Summen für Sanierungsmaßnahmen investiert werden, ist es ausschlaggebend, ob es sich dabei um eine Wertsteigerung oder lediglich um eine Instandhaltungsmaßnahme handelt.

Herr Schlosser, sehen Sie neben der Energieeffizienz und dem Werteerhalt weitere positive Aspekte, der seriellen Sanierung? 

MS: Ein großer Vorteil ist, dass die serielle Sanierung durch die Förderung des Gesetzgebers für Endkunden besonders attraktiv ist. Somit haben unsere Betriebe einen hohen Anreiz in diesem Segment aktiv zu sein. Die serielle Sanierung ist nicht nur effizienter, sondern sozialverträglicher und weniger belastend für Mieter, da die Elemente, inkl. Fenster, in nur wenigen Tagen am Bestandsgebäude montiert sind.
 
Welche Chancen bringt die serielle Sanierung, Ihrer Ansicht nach, für Ihre Mitgliedsbetriebe mit sich? Was unterscheidet sich hier im Vorgehen zu einem Neubau? 

MS: Die größte Chance besteht vor allem in der Erschließung eines weiteren Geschäftsfeldes. Außerdem kompensiert dieses Segment möglicherweise das rückläufigere
Ein- und Zweifamilienhaussegment, da im Bereich der seriellen Sanierung ein großes Volumen besteht. Insbesondere in der Mieterbetreuung unterscheidet sich das Vorgehen in der seriellen Sanierung von Neubauprojekten, da die Gebäude bewohnt sind. Werden beispielsweise neben der Fassade auch die Heizungsanlagen saniert, müssen Handwerker auch in die Wohnungen – beim seriellen Sanieren werden deshalb gänzlich andere Konzepte und ein anderes Baustellenmanagement benötigt. Ein weiterer Schwerpunkt sollte auf einer aktiven „Baustellenkommunikation“ mit den Verantwortlichen des Auftraggebers vor Ort liegen.

Welche Kompetenzen müssen Ihre Mitgliedsbetriebe mitbringen, um erfolgreich in der seriellen Sanierung tätig zu werden?

MS: Für eine erfolgreiche Umsetzung der seriellen Sanierung ist das entsprechende Knowhow von elementarer Bedeutung – eine Voraussetzung, welche alle unsere Mitgliedsbetriebe erfüllen. Obwohl die Herstellung der Außenwände in der seriellen Sanierung kaum Unterschiede im Vergleich zum klassischen Wohnungsbau aufweist, birgt die digitale Einbindung der Gebäudetechnik bei größerem Auftragsvolumen spezifische Herausforderungen. Zur Erreichung einer höheren Wirtschaftlichkeit, ist deshalb ein intensiverer Austausch notwendig. Demnach sollten sich die Betriebe in jedem Fall mit der digitalen Aufnahme der Gebäude befassen. Einige Betriebe können dies bereits intern abdecken, während andere diese Leistungen bei ausgewählten Partnern zukaufen, um sich im Bereich der seriellen Sanierung optimal aufzustellen.

Herr Bockel, welche Rolle spielt die Automatisierung im Bereich der seriellen Sanierung aus Ihrer Sicht?

SB: Die Relevanz der CNC-Bearbeitung ist im Bereich der seriellen Sanierung nicht zu vernachlässigen, da sie eine effektive Vorfertigung fördert und höchsten Qualitätsanforderungen gerecht wird. Wichtig ist hier ebenfalls, dass mit der gleichen Technologie Elemente für den Neubau gefertigt werden können. Damit ist ein Unternehmen nicht nur breiter aufgestellt, sondern kann die eigenen Anlagen auch besser auslasten. Sicher ist auch das Thema Arbeitsvorbereitung aus Sicht der Unternehmen von hoher Relevanz, damit projektspezifische Anforderungen möglichst weitgehend vorgefertigt und automatisiert bearbeitet werden können.

Herr Schlosser, wie schätzen Sie das Potenzial einer Automatisierung in der seriellen Sanierung ein?

MS: Eine Automatisierung könnte die Prozesse im seriellen Sanieren sicherlich weiter optimieren und das Potenzial des Sektors ausreizen. Auch hinsichtlich der Arbeit mit CAD (Computer-Aided-Design) Programmen gibt es in diesem Bereich nur wenige Hemmnisse, welche einen effektiven Umgang mit diesen Technologien behindern. Sobald die Elemente gezeichnet und die Maschinendaten erzeugt wurden, ist es grundsätzlich irrelevant, ob es sich um ein „normales“ Haus oder aber eine serielle Sanierung handelt. In diesem Zusammenhang gilt es allerdings nicht zu vernachlässigen, dass eine erfolgreiche Umsetzung maßgeblich vom Baustellenmanagement sowie der Expertise im Projektmanagement abhängig ist.

Neben der Erschließung eines neuen Marktsegments und einer steigenden Attraktivität der seriellen Sanierungsweise müssen sich Unternehmen jedoch auch mit neuen Prozessen und Strukturen im Produktionsablauf befassen. Welche Hürden haben Betriebe im Bereich der seriellen Sanierung zu meistern?

MS: In den letzten zehn Jahren hat sich der Holzbau sehr stark weiterentwickelt, vor allem im Geschosswohnungsbau. Dieser Trend hält nach wie vor an, jedoch benötigen auch wir die entsprechend qualifizierten Fachkräfte, zur Erfüllung der Nachfrage am Markt. Daher sind der Nachwuchs und die Anpassung der Ausbildung an die aktuellen Marktentwicklungen unentbehrlich, was das Mitwirken von Schulen, Hochschulen und Universitäten voraussetzt. Zusätzlich sollten Technologien zur Steigerung der Effizienz, standardisiert werden. Ein bedeutender politische Aspekt sind auch die unterschiedlichen Landesbauordnungen der Bundesländer, was zusätzliche Bürokratie im Bereich Bauwesen bedeutet. Deshalb hoffe ich, dass sich dies zukünftig weiter vereinheitlichen wird.

Derzeit sind der Einfamilienhaus- und Mehrfamilienhausbau eher rückläufig. Wie wichtig ist, Ihrer Ansicht nach, das Segment der seriellen Sanierung für Ihre Mitgliedsunternehmen in der aktuellen Marktsituation?

MS: Meiner Meinung nach ist es wichtig, die sich bietenden Chancen zu nutzen. Jedes Unternehmen hat dabei die Möglichkeit, sich ein weiteres Standbein durch die Erschließung eines neuen Geschäftsfelds aufzubauen, unabhängig davon, ob dies ein Ersatz für ein weggefallenes Segment darstellt oder nicht. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass sich unsere Betriebe an dieses spezifische Marktsegment anpassen und die passenden Kunden für sich gewinnen, da sie die Kompetenz und das Knowhow haben, um den Anforderungen in diesem Marktsegment gerecht zu werden.

SB: Die serielle Sanierung ist derzeit in aller Munde, wobei vor allem kleine und mittlere Projekte umgesetzt werden. Sie bietet Handwerksbetrieben die Möglichkeit sich breiter aufzustellen und eventuellen Marktschwankungen im Neubau stärker entgegenzuwirken. Interessant ist ferner die aktuelle Entwicklung von Spezialisten der Sanierung im Markt. Die Transformation des Bauens im Bestand sollte jedoch stärker in den politischen Fokus kommen, da nachhaltige Bauweisen für den Neu- als auch Bestandsbau unverzichtbar sind, damit die gesellschaftlichen Forderungen nach mehr Klimaschutz umgesetzt werden können. 

Was würden Sie Unternehmen empfehlen, die sich in diesem Bereich entwickeln wollen?

MS: Meiner Ansicht nach ist es von hoher Bedeutung, eine gute Organisation innerhalb des Unternehmens sicherzustellen, zu der beispielsweise eine Mitgliedschaft bei ZMH beiträgt. Unsere Manufakturen leben vom Erfahrungsaustausch untereinander und profitieren enorm von der Expertise innerhalb der Gruppe. Zur Vermeidung möglicher Fehler und einer effizienten Unternehmensgestaltung, sollte dieser Punkt in meinem Verständnis eine Priorität darstellen. Um den Erfahrungsaustausch zu fördern, laden wir unsere Mitgliedsbetriebe proaktiv zu Tagungen ein, bei denen Kollegen über ihre Erfahrungen referieren und wertvolle Einblicke teilen. Diese Praxis hat sich als sehr wertvoll erwiesen und ist ein exklusives Angebot, das durch die Organisation der Projekt-Gruppen und Erfahrungsaustausch-Gruppen (Erfas) von ZMH ermöglicht wird.

Wie sehen Sie beide die kurz- und mittelfristige Marktentwicklung auch in Bezug auf das serielle Sanieren? 

MS: Als Teilnehmer dieser Branche betrachte ich die Entwicklungen äußerst positiv. Holz als nachwachsender Rohstoff hat mittlerweile auch bei den Kunden großen Anklang gefunden. Zudem gibt es einen bedeutenden Markt für die energetische Ertüchtigung von älteren Gebäuden. Unter diesen Voraussetzungen mache ich mir absolut keine Sorgen. Wir sind in der ZMH-Gruppe gut vernetzt und schaffen durch den organisierten Austausch die Grundlage für jeden, am Markt zu profitieren.

SB: Aus meiner Perspektive wird es vor allem ein starkes Wachstum im Volumen von kleinen und mittelgroßen Sanierungsprojekten geben. Größere Bauvorhaben werden durch den Zuwachs von Spezialisten ebenfalls zunehmen. Ferner kann ich mir sehr gut vorstellen, dass dieses Segment künftig von Handwerksbetrieben als auch einigen spezialisierten Industrieunternehmen bedient wird.  Die Wertsteigerung und die nachhaltige Bauweise werden den Holzbau sicher fördern, jedoch müssen wir in der Branche auch weitere Effizienzpotentiale heben, damit wir im Vergleich zu konventionellen Dämmsystemen noch wettbewerbsfähiger werden und ein größeres Volumen im Markt einnehmen können. 
 

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